Wie das Geschlecht derer zu Drachenfels zu seinem Namen kam
Die Markgrafen derer zu Drachenfels sind nicht nur ein altes sondern auch ein berühmtes Geschlecht. Ihr Stammbaum blickt auf viele viele Jahrhunderte zurück.
Wo aber liegt der Ursprung ihres Namens?
Ein mutiger Kampf mit einer wilden, Feuer speienden Bestie? Die Errettung einer holden Jungfrau aus den Klauen eines solchen schuppigen Wurmes? Wohl viele Gerüchte sind darüber geboren worden.
Nun fand sich bei neulich durchgeführten Arbeiten in der Burgeigenen Bibliothek von Drachenfels ein Pergament von einem unbekannten Verfasser, welches uns vielleicht Aufschluss darüber geben könnte.
Es ist eine Legende und wie alle Legenden kann sie der Wahrheit entspringen oder auch nur der Fantasie. Beweise für ihre Richtigkeit werden sich keine mehr finden lassen – aber auch keine, die sie der Unrichtigkeit überführt.
Aber leset selbst und machet euch eure eigenen Gedanken darüber – zumindest ist es eine schöne Geschichte.
Vor vielen Jahrhunderten hatte ein junger Edelmann die Möglichkeit, sich am Hofe des Königs zum Ritter ausbilden zu lassen. Dieses Privileg konnte und wollte er natürlich nicht ablehnen und bald gehörte er zu den gelehrigsten Schülern seines Jahrganges. Er fing wie alle anderen als einfacher Knappe an und ging wie sie durch eine harte Schule. Aber er schaffte es und wurde vom König selbst zum Ritter geschlagen und in dessen Dienste berufen.
Zu dieser Zeit lebte auch ein Edelfräulein am Hofe, schön wie ein Engel aber leider mit der Seele eines Teufels. Ihr verführerischer Blick brachte nahezu jedes Männerherz zum schmelzen und sie brauchte nur einen Wunsch anzudeuten, schon stritten sich die Jünglinge untereinander, wer ihr zu Diensten sein durfte. Gar manche Duelle wurden um sie ausgetragen und nicht wenige endeten mit Tod oder Verstümmelung der Kontrahenten.
Aber das Fräulein meine, dass sie diesen Preis wert wäre. Sie liebte das Kokettieren und die Macht, die sie über das andere Geschlecht ausübte. Wahre Liebe war ihrem Herzen fremd wie ….. ja…. wie Schnee in den heißen Sommermonaten. Sie spielte mit den Gefühlen ihrer Verehrer, ermunterte sie ihr zu huldigen mit Worten und Geschenken, nur um sie im nächsten Augenblicke fallen zu lassen.
Auch unser junger Ritter gehörte zu ihren Bewunderern, nein, um es richtig zu sagen: er war ihr mit Haut und Haaren verfallen. Sonst so mutig, geriet er hochroten Kopfes ins Stammeln wenn sie ein Wort an ihn richtete und sein glühendes Herz klopfte, als wolle es ihm jeden Moment aus dem Halse heraus springen.
Da unser junger Freund ein Günstling des Königs war, gehörte er zum engsten Kreise derer, die unser Edelfräulein um sich zu versammeln geruhte. Und so fasste er eines Tages seinen ganzen Mut zusammen und machte der Dame seines Herzens einen Antrag, legte ihr sein eigenes ehrliches und aufrichtiges Herz zu Füßen und hoffte darauf, dass seine Liebe erwidert würde.
Und das Wunder schien wahr zu werden. Mit verschämtem Blicke gestand auch sie ihm ihre Liebe. Ja, er wäre ihr der Liebste von allen und er dürfe den König um Erlaubnis wegen der Eheschließung fragen. Doch halt, eine kleine, klitzekleine Bitte hätte sie noch vorher. Wenn seine Liebe zu ihr so groß und aufrichtig wäre wie er behauptete, dann solle er mit einem Drachen kämpfen und ihr sein abgeschlagenes Haupt zu Füßen legen. Dann – und darauf gäbe sie ihr Wort – stünde einer Verehelichung nichts mehr im Wege. Sie sei sich natürlich darüber bewusst, dass so ein Drachenkampf für ihn nicht ganz ungefährlich sei, aber woher sollte sie sonst wissen, ob seine Liebe für sie soviel Mut aufbrächte. Und einen Feigling wolle sie auf keinen Fall zum Gemahle.
Für unseren jungen Freund gab es kein Halten mehr. Er bat den König, ihn vorab aus seinem Dienste frei zustellen und zog in die Fremde. Lange suchte er, um einen Drachen ausfindig zu machen und schließlich hörte er von einem, der weit oben in den Schwarzen Bergen hausen sollte.
Ohne zu zögern, machte er sich auf den Aufstieg und wirklich, nach etlichen Tagen sah er das riesige Untier auf einem Felsen in der Sonne sitzen. Der schuppige Körper war fast schwarz und zahlreiche Narben legten Zeugnisse von vielen Kämpfen ab. Kein Zweifel, dieser Drache würde sich seiner Haut wohl zu wehren wissen.
Zuerst erwägte unser junger Held, in Deckung zu gehen und sich dann vorsichtig an den Drachen heran zu schleichen, aber ein untrügliches Gefühl sagte ihm, dass dieser ihn schon längst entdeckt hatte.
So näherte er sich, das Schwert schlagbereit in der Hand haltend, dem Untier und überlegte krampfhaft, was wohl der günstigste Sicherheitsabstand zu diesem in Bezug auf das Feuerspucken wäre.
Der Drache hob den Kopf und bleckte die Zähne.
„Was willst du, Winzling“.
Unser Mann hob entschlossen den Kopf und trat noch einen weiteren Schritt vor.
„Ich will dich zum Kampfe heraus fordern, Drache.“
Der Schwarze reckte den Hals und lachte. Es kollerte richtig in seiner Brust und die Berge warfen das Echo davon so mannigfaltig zurück, dass es wie ein Riesengewitter klang.
„So, du willst gegen mich kämpfen. Darf ich auch wissen warum.“
Verlegen stotterte der Junge
„Weil …. Weil mein ganzes Glück davon abhängt.“
„Nun, wenn das so ist…“
Der Drache erhob sich träge zu seiner vollen Größe und im Licht der tief stehenden Sonne war sein Schatten riesig.
„Hör zu, die Sonne wird gleich untergehen. Die kalte Nachtluft bekommt meinem Rücken nicht mehr so gut und du läufst Gefahr, am eigenen Schwerte fest zu frieren. Außerdem kann ich auch im Dunkeln viel besser sehen als du. Das wäre ein ungleicher Kampf. Also, was hältst du davon, diesen auf morgen zu vertagen. Oder bist du so in Zeitdruck, dass du nicht eine Nacht warten kannst.“
„Nein, nein“ unser Freund war mehr als überrumpelt.
„Gut, wenn du dich traust, können wir die Nacht gemeinsam in meiner Höhle verbringen und ein wenig – wie sagt man bei euch Menschen – von Mann zu Mann reden. Letztendlich würde es mich schon interessieren, warum ich sterben soll.“
„In deine Höhle????... Begeisterung klang nun nicht gerade aus der Stimme des Ritters
„“Was ist, Angst gefressen zu werden? Ich vertraue dir ja auch, dass du mir nicht den Kopf abschlägst, während ich schlafe. Oder hast du das vor?“
„Aber nein“ die Entrüstung unseres Helden war nicht zu überhören „Das wäre ja kein ehrlicher Kampf.“
Der Drache schnaubte zufrieden.
„Dann komm, hier draußen wird es bald eisig. Außerdem“ ein Grinsen schien über sein Gesicht zu kriechen „wenn ich dich hätte vernichten wollen, würdest du schon längst nicht mehr leben.“
Er atmete tief aus und ein Feuerstrahl setzte den spärlichen Busch wenige Meter neben unserem Freund in Brand. Der sprang erschrocken hoch wie ein aufgescheuchter Hase.
Doch dann folgte er zögernd dem voranstampfenden Drachen.
Es war wohl die seltsamste Nacht im Leben unseres jungen Ritters. Der Drache hatte sich im hinteren Teil der Höhle zusammengerollt und seinen Kopf auf seine Pranken gelegt. Auffordern sah er den Menschen an.
„So, nun erzähle, was habe ich dir getan, dass du mich unbedingt töten willst.“
„Äh, nichts“
„Also tötest du nur aus purer Freude am Blutvergießen. Bist du süchtig nach dem Ruhm, einen Drachen erschlagen zu haben?“
„Nein, nein …. Es ist nur ….. es ist wegen meiner Liebe.“
Der Drache sah ihn verständnislos an.
„Nun, du musst wissen, ich liebe eine Dame….. und sie will als Beweis dafür deinen Kopf.“
„Verstehe“ brummelte der Drache „und sie liebt dich auch?“
„Ja natürlich. Sie sagt, ihre Liebe zu mir wäre größer als der gesamte Thronschatz.“
„Welch einleuchtender Vergleich. Ist sie schön, deine Dame?“
„Schöner als die Sonne.“
„Auch klug?“
„Und wie. Keine weiß sich so gewählt auszudrücken wie sie.“
„Aha. Dann weiß sie sicher auch, dass ein Drache nicht so einfach zu besiegen ist, oder?“
„Selbstverständlich, sonst wäre es ja keine Mutprobe.“
„Du könntest getötet werden, die Wahrscheinlichkeit ist sogar recht groß.“
„Meine Liebe ist mir dieses Risiko wert.“ Trotzte der junge Mann auf
Der Drache nicke bedächtig
„Ich zweifle nicht an deinen Gefühlen. Du hast ein ehrliches, aufrichtiges Herz. Ich frage mich lediglich, wenn ihre Liebe zu dir ebenso groß ist wie die deine zu ihr, warum riskiert sie es denn leichten Herzens, dich dem Risiko des Todes auszusetzen.“
Zum ersten Mal blieb unser Ritter die Antwort schuldig.
„Würdest du sie denn, nur um ihre Liebe auf eine Probe zu stellen, in eine Schlangengrube schicken?“
Der Drache hatte das aufgebrachte ‚Nein, natürlich nicht’ wohl erwartet.
Er schwieg eine Weile, wohl um seinem Gegenüber etwas Zeit zum Nachdenken zu geben.
„Was hättest du eigentlich geantwortet, wenn sie statt meinem Kopf den deines Königs gefordert hätte.“
„Das würde sie niemals tun.“
Der Drache murmelte unverständlich so etwas wie „na ja, jetzt noch nicht“, dann sah er seinem Gegenüber fest in die Augen.
„Wisse, selbst nach Drachenrechnung bin ich nicht mehr der Jüngste und wir Drachen pflegen
wesentlich länger am Leben zu bleiben als ihr Frühsterblichen. In all den Jahrhunderten habe ich nie Krieg mit den Menschen gehabt. Und nun verlangt deine Dame – ohne mich oder einen meiner Brüder oder Schwestern zu kennen – einfach aus einer Laune heraus den Tod von einem von uns – und setzt dabei dein Leben ohne Bedenken ebenfalls aufs Spiel. Welch ungewöhnliche Liebe. Ich dachte immer, wenn Menschen sich wahrhaft einander zugetan sind, dann sind sie eher in Sorge umeinander.
Wirklich eine seltsame Liebe, die deine Dame da hegt.“
Damit drehte der Drache dem Ritter den Rücken zu. Tiefe Atemzüge verkündeten bald, dass er anscheinend schlief.
Der junge Mann indes tat kein Auge zu. Zu sehr beschäftigten ihn die Worte des alten Drachens.
Als die Frühnebel sich zu lichten begannen, fand der Drachen den Mann in sich gekehrt vor der Höhle hin und her stapfend.
„Nun, wenn du willst, können wir jetzt kämpfen.“ Grollte er
„Nein“ die Stimme des Ritters klang entschlossen „Nein, ich werde nicht mit dir kämpfen“
„Was denn, plötzlich doch Angst?“
„Nein. Wenn du eine Plage für die Leute wärst, Mensch und Vieh töten würdest – dann würde ich nicht zögern, gegen dich anzutreten. So aber habe ich keinen Grund dazu.“
Der Drache nickte „Und deine Liebe…?“
Der Ritter senkte den Kopf.
„Du hast recht. Wahre Liebe braucht keine Beweise …. Und sie setzt niemanden Gefahren aus. Danke, dass du mir die Augen geöffnet hast. Vielleicht besuche ich dich mal, wenn ich wieder einen Rat brauche.“
„Du wirst mich hier nicht mehr antreffen. Ich hatte eh vor, diesen Platz in den nächsten Tagen zu verlassen. Ich fliege zu den Feuerbergen. Die heiße Lava dort wird meinen alten Knochen gut tun.“.
Sie verabschiedeten sich fast wie alte Bekannte und der Ritter machte sich an den Abstieg.
Als er Wochen später wieder bei Hofe eintraf, suchte er sofort seine Angebetete auf.
„Oh, mein Liebster – ihr seid wieder da.“ Nun, sie sah nicht gerade aus, als hätte ihr die Sorge um ihn schlaflose Nächte bereitet.
„Habt ihr mir einen Drachenkopf mitgebracht?“ fragte sie voller Begierde
„Nein“
Ihr schien gar nicht aufzufallen, wie sich Stimme und Blick ihres Verehrers ihr gegenüber verändert hatten
„O, ihr habt keinen Drachen für mich gefunden.“ Sie schmollte „ihr hättet länger nach einem suchen sollen.“
„Ich habe einen gefunden, mein Fräulein, aber ich habe nicht mit ihm gekämpft.“
„So seid ihr ein Feigling und ich will nichts mehr mit euch zu tun haben.“
Sie wandte ihm den Rücken zu.
„Würdet ihr denn für mich in eine Schlangengrube gehen?“
Ihr Kopf rucke wütend herum „Welch ein abartiger Gedanke. Warum sollte ich so etwas Dummes tun. Und jetzt verlasst auf der Stelle meine Gemächer und …. Und kommt mir nie mehr unter die Augen.“
Früher hätten ihn solche Worte verletzt, aber nun prallten sie an ihm ab wie Regentropfen an einer Ölhaut. So zuckte er nur verächtlich mit den Schultern und verließ den Raum, sich selber wundernd, wie er je auf ein so gefühlloses Weib hatte herein fallen können. Ohne weitere Verzögerung meldete er sich beim König zurück und nahm seinen Dienst wieder auf.
Jahre später gelang es ihm, seinem König in einer höchst gefährlichen Situation zur Seite zu stehen. Er rette ihm damit das Leben. Und voll Dankbarkeit und in Anerkennung seiner Treue wurde er vom König zu einem Markgrafen ernannte samt großem Lehen. Und als der König fragte, welchen Namen er fortan führen wolle, da wählte er den Namen zu Drachenfels - in Erinnerung an die Nacht, in der der Drache ihm die Augen über die wahren Werte der Liebe geöffnet hatte, an die Nacht, in der ein Jüngling zu einem Manne heran gereift war.
Nach einigen Jahren ehelichte er die Tochter eines Edelmannes. Sie war nicht so schön wie die Sonne, aber an ihrer Herzenswärme übertraf sie diese vielleicht sogar. Es war eine glückliche Verbindung, von der auch die Untergebenen profitierten, denn wie saget schon der Volksmund:
Regieren im Herrscherhaus Liebe und Frieden, ist auch dem Volke Glück beschieden.
Vom Drachen hat man nichts mehr gehöret. Möge er sich noch viele Jahre wohlig im Lavasee gesuhlet haben.
- Aus der Feder von Ela von Salthara -